Wildes Zeug
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Wenn die Vergangenheit das Jetzt bestimmt
Wie Glaubenssätze unser Leben mit Hund beeinflussen
Es kann so schön sein: Ein Hund zieht ein und ab sofort gehen Zwei- und Vierbeiner Seite an Seite durchs Leben, sind unzertrennlich und alles ist genau so, wie Mensch es sich gewünscht hat.
Das kommt vor. Gar nicht mal so selten vermutlich. Aber eben nicht immer. Leider. Denn manchmal läuft es anders. Weniger schön, weniger rund und alles andere als harmonisch. Und wenn es ganz schlecht läuft, sogar sehr dramatisch.
In unserem Alltag als Hundehalter erleben wir Situationen, auf die wir gut und gerne verzichten könnten. Situationen, von denen niemand sprach, als wir freudestrahlend verkündeten, künftig (wieder) an der Seite eines Vierbeiners durchs Leben zu gehen. Verhaltensweisen unseres Hundes, die uns im besten Fall einfach nicht so gut gefallen. Oder uns – im schlimmsten Fall – an den Rand der Verzweiflung bringen. Manchmal sogar noch ein Stückchen weiter.
Verständlich also, dass wir uns Veränderung wünschen. Dass es so sein soll wie „bei den anderen“. Nur, was ist, wenn uns das Training in der Hundeschule zwar weiter, aber nicht ans Ziel bringt? Wenn die Ratschläge der anderen Hundehalter gut gemeint, aber nicht wirksam sind? Was, wenn die Lösung für unser Problem womöglich ganz woanders liegt – nämlich in unserer Art, die Dinge zu betrachten und zu bewerten?
Glaubenssätze
Wie wir uns, unser soziales Umfeld und die Welt im Allgemeinen betrachten, wird stark durch unsere Glaubenssätze beeinflusst. Das sind unbewusste Gedankenmuster, die wir größtenteils bereits als Kinder übernommen haben.
Es heißt, dass wir in den ersten sieben Jahren unseres Lebens sehr stark durch Einflüsse von außen geprägt werden. Wir sind hier also sehr empfänglich für das, was um uns herum geschieht. Als besonders intensiv gilt die Zeit bis zum zweiten Lebensjahr, denn als Kleinkind reagieren wir ganz besonders sensibel auf Emotionen und Gefühle. Das liegt daran, dass wir in den ersten Monaten unseres Lebens noch nicht – oder nicht ausreichend – sprechen können. Dadurch sind wir nicht in der Lage, unsere Gedanken innerlich zu formulieren. Wir nehmen unsere Umwelt also auf der Gefühlsebene wahr. Nun kann unser Gehirn, ganz besonders in so jungen Jahren, nicht unterscheiden, was wahr ist und was nicht. Auch eine Einteilung in richtig und falsch ist kaum möglich. So kann es leicht passieren, dass wir unsere Glaubenssätze anhand von Eindrücken bilden, die womöglich gar nicht der Wahrheit entsprechen.
Glaubenssätze gibt es jede Menge – und nicht wenige von ihnen wirken sich auch auf das Zusammenleben mit unserem Hund aus. Da wären zum Beispiel Sätze wie „Wenn ich um Hilfe bitte, ist das ein Zeichen von Schwäche“, „Ich schaffe das nicht“ oder „Ich muss alles richtig machen, damit man mich akzeptiert und liebt“.
Wie solche Gedankenmuster unser Leben mit Hund beeinflussen, zeigt die folgende Geschichte von Kathi und Balou.
Kathi und Balou
Kathi lebt mit ihrem dreijährigen Mischlingsrüden Balou zusammen. Eigentlich läuft es auch ziemlich gut mit den beiden – wenn da nicht das Thema „Hundebegegnungen“ wäre. Balou dreht dabei vollkommen frei, wie Kathi es beschreibt. Dabei steht er bellend in der Leine, zeigt sich allgemein extrem aufgeregt, und während er die zierliche Kathi fast von den Beinen reißt, schämt diese sich in Grund und Boden.
In der Hundeschule erzählte man ihr, dass Balou unter anderem über wenig Impulskontrolle und eine nicht sonderlich ausgeprägte Frustrationstoleranz verfügt. Auch erfuhr sie, dass es Balou sehr helfen würde, wenn sie ihn souveräner führen würde. Dinge, die Kathi gut nachvollziehen konnte. Besonders den letzten Punkt. Sie weiß, wie schnell sie sich aus der Fassung bringen lässt und manche Situationen ihren Puls nach oben schießen lassen. Doch in den Trainingsstunden zeigten sich schnell erste Erfolge und sie blickte optimistisch in die Zukunft. Dauerhaft zeigte sich jedoch, dass es im Alltag immer wieder zu Situationen kam, in denen Balou aufgeregt bellend in der Leine stand und Kathi sich dabei regelrecht vorgeführt fühlte. An schlechten Tagen wurde sie dabei richtig wütend und stellte erschrocken fest, dass sie zunehmend aggressiver wird.
Gut möglich, dass Kathi in dieser Situation womöglich mit Glaubenssätzen zu kämpfen hat. Begeben wir uns deshalb einmal auf Spurensuche in ihre Kindheit:
Gemeinsam mit zwei weiteren Geschwistern wuchs Kathi wohlbehütet in einer norddeutschen Kleinstadt auf. Materiell fehlte es ihnen an nichts und die Eltern gaben sich viel Mühe, ihnen eine schöne Kindheit zu bereiten. Aber auch Eltern waren mal Kinder. Und auch sie sind natürlich nicht frei von Glaubenssätzen. Sie wuchsen in einer Zeit auf, in der Kinder ohne Widersprüche zu gehorchen hatten, primär anhand schulischer Leistungen bewertet wurden und die Eltern – besonders dem Vater nach getaner Arbeit – möglichst nicht zur Last fallen sollten. So kam es, dass auch Kathi als Kind häufig Dinge wie „Was sollen denn die Nachbarn denken!?“ oder „Nimm Dir mal ein Beispiel an den anderen Kindern“ hörte. Sätze, die vermutlich viele von uns aus ihrer Kindheit kennen – und die bei dem einen oder anderen von uns Spuren hinterlassen haben. Kathi zum Beispiel entwickelte daraus die Glaubenssätze „Ich darf nicht negativ auffallen“ und „Ich werde geliebt und finde Anerkennung, wenn ich gute Leistungen bringe“.
Diese Annahmen sind es, die ihr heute, als Erwachsene, das Leben schwer machen.
Wo andere gelassen in die Hundebegegnung gehen, ihrem Hund idealerweise Sicherheit vermitteln und registrieren, dass das eine oder andere vielleicht noch nicht hundertprozentig funktioniert, bricht für Kathi eine Welt zusammen.
In ihrer Wahrnehmung blamiert sie sich vor den anderen Hundehaltern. Sie denkt, sie sei DAS Gespräch auf der Hundewiese, und hätte, dank Balou, den traurigen Bekanntheitsgrad einer Lokalprominenz in Sachen „Inkompetenz“ erlangt. Eine Situation, die sie massiv stresst und es ihr nahezu unmöglich macht, das in der Hundeschule Gelernte dauerhaft umzusetzen.
Für Kathi wäre es also hilfreich, ihre negativen Glaubensmuster aufzulösen. Dazu gehört im ersten Schritt, dass sie diese überhaupt erkennt. Glaubenssätze wirken nämlich tief in unserem Unterbewusstsein und sind nicht immer offensichtlich.
An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass es nicht nur negative Glaubenssätze gibt. Selbstverständlich gibt es auch positive Glaubenssätze. Sie sind es, die uns durchs Leben tragen und Halt geben. Da sie uns allerdings keinen Kummer bereiten, wollen wir uns nicht weiter mit ihnen beschäftigen, uns stattdessen freuen, dass sie da sind – und uns anschauen, wie wir negative Glaubenssätze erkennen und auflösen.
Glaubenssätze erkennen
Im ersten Schritt geht es darum, die hemmenden Glaubensmuster zu erkennen und sich derer bewusst zu werden.
Wir sollten uns Zeit nehmen und in Ruhe über unser Leben als Hundemensch nachdenken. Gibt es vielleicht immer wieder Situationen, die sich ähneln? Verhaltensweisen, in denen wir so etwas wie ein Muster erkennen?
Übrigens: Wenn Du Dich eine Zeit lang mit diesem Thema beschäftigst, wirst Du wahrscheinlich nach und nach immer mehr Glaubenssätze entdecken. Dieser Prozess ist super wichtig. Hier sind wir wieder bei dem Punkt „Zeit“. Wir sollten sie uns nehmen – auch wenn wir (verständlicherweise) das Problem so schnell wie möglich beheben wollen.
Damit uns unsere Suche etwas leichter fällt, hilft es manchmal, eine Auswahl an gängigen, negativen Glaubenssätzen durchzulesen. Ich habe hier mal eine kleine Liste zusammengestellt, die besonders im Hundehalter-Alltag eine Rolle spielen können:
Ein kleiner Tipp für alle, die hier nicht weiterkommen:
Es ist in einer solchen Situation hilfreich, die eigenen Gedanken immer wieder bewusst wahrzunehmen. Wir sollten also achtsam durch den Tag gehen und so häufig wie möglich in uns hineinhören.
Zurück zu den Wurzeln
Waren wir erfolgreich und kennen wir unsere Glaubenssätze, können wir uns im nächsten Schritt fragen, woher sie kommen.
Vielleicht haben wir als Kind das Verhalten unserer Eltern so interpretiert, dass das Leben für unsere Familie überwiegend aus dem Bewältigen von Alltagsproblemen besteht. Nach dem Motto „Glück haben immer nur die anderen“. Das hat unter Umständen dazu geführt, dass wir als Erwachsene die vermeintlichen Probleme mit unserem Hund übertrieben stark wahrnehmen und dabei die vielen kleinen, aber schönen Momente total übersehen.
Unsere(!) Realität hat sich sozusagen unserem Glaubensmuster angepasst.
Das Beobachten unseres Denkens ist sehr wichtig. Hierbei kann uns Meditation wunderbar helfen. Oder wir suchen uns in der Natur einen schönen Platz nur für uns. Hier finden wir die nötige Ruhe und können zu uns finden.
Glaubenssätze auflösen
Wenn wir unsere Glaubenssätze und ihre Funktion kennen, ist das schon eine ganze Menge. Was jetzt noch fehlt, ist das Auflösen dieser hemmenden Strukturen. Hierzu gibt es verschiedene Techniken. Eine davon ist das Formulieren von neuen, positiven Sätzen, die die negativen überschreiben.
Aus „Ich darf nicht unangenehm auffallen“ wird beispielsweise „Es ist egal, was andere denken“.
Und aus „Ich schaffe das nicht!“ formen wir ein knackiges „Ich schaffe das!“.
Unsere neuen, positiven Sätze müssen jetzt nur noch, so oft es irgendwie geht, aufgesagt werden. Einer Studie zufolge sollten wir dies durchschnittlich 66 Tage lang tun. Wir brauchen also etwas Geduld.
Ein Tipp:
Schreibe die positiven Glaubensmuster auf Post-its und klebe sie auf den Spiegel, den Kühlschrank oder an den Bildschirm. Du könntest Dir auch ein eigenes Audio erstellen, das Du beim Autofahren, beim Laufen oder während des Kochens anhören kannst.
Dadurch wirst Du immer wieder daran erinnert und tust Dich leichter, diese positiven Muster in Dein Leben zu integrieren.
Du siehst, Du musst negative Glaubenssätze nicht als gegeben hinnehmen, sondern kannst sie ins Gegenteil umkehren. Das ist nicht immer einfach. Manchmal ist es schon sehr schwierig, sie überhaupt aufzuspüren – aber glaube mir: Sich mit ihnen zu beschäftigen lohnt sich in jedem Fall :-)